Mein Weg

Ich denke, dass Ungerechtigkeit - wie Privilegien, die allein auf sozialer Herkunft basieren - und der Wille Gerechtigkeit herzustellen, mich von Anfang an auf meinem politischen Weg begleiten, vielleicht sogar angetrieben haben. Mein Wunsch, Politik zu gestalten, konkretisierte sich früh in Ämtern wie Klassen- oder Schulsprecher, die damals durchaus etwas hoch Politisches hatten. Das war die Zeit von Willy Brandt - er hat mich auch zum Eintritt in die SPD gebracht.

Ralf Stegner auf Amrum
Bild: Olaf Bathke

„Mein Vater hat mir beigebracht, Menschen nicht danach zu beurteilen, was für Titel sie haben, was sie sind, sondern nach dem, was sie können.”

Familäre Wurzeln

Ralf Stegner als Kind_Foto: Privat
Ralf Stegner als Kind Bild: privat

Meine Familie war nicht politisch und schon gar nicht sozialdemokratisch. Meine Großeltern waren eher das Gegenteil davon. Mein Großvater und ich haben manche Auseinandersetzung über Geschichte und Politik gehabt, gerade hierdurch wurde aber mein Interesse und meine Begeisterung verstärkt. Deshalb habe ich später auch Politik studiert. Auch wenn wir in der Sache uneins waren, haben die lebhaften Diskussionen mein politisches Denken geschult.

Ich habe selbst „Aufstieg durch Bildung“ erfahren dürfen, habe erfahren, was man mit harter Arbeit erreichen kann. Ich war nicht privilegiert oder hatte die finanziellen Möglichkeiten, einfach so zu studieren – die Stipendien, die ich bekommen und mir durch Fleiß erarbeitet habe, spielen in meiner Biographie eine wichtige Rolle. Ich hatte aber auch auch viel Glück im Leben. Das muss ich heute wirklich sagen – ein Leben ist ja nicht vorbestimmt.

Mein Empfinden für soziale Ungerechtigkeit entdeckte ich mit zehn Jahren. Im Elternhaus wurde nie drüber gesprochen, aber es war für mich klar und ungerecht: Als ich nach der Grundschule aufs Gymnasium gehen durfte, konnte ich nicht in Rheinland-Pfalz die weiterführende Schule besuchen – es gab dort 1969 noch keine Lehrmittelfreiheit! Also musste ich auf die andere Rheinseite nach Mannheim, denn das ist Baden-Württemberg. Ich empfand dies als ungerecht und trage diese Empfindung bis heute in mir.

Vorbilder

Ralf Stegner und Helmut Schmidt_Foto: Olaf Bathke
Ralf Stegner und Helmut Schmidt Bild: Olaf Bathke

Meine politischen Vorbilder sind durch Charisma, Gerechtigkeit und politische Gradlinigkeit geprägt. Willy Brandt natürlich, seinetwegen bin ich in die SPD eingetreten. International haben mich John F. Kennedy und Nelson Mandela sehr beeindruckt, national neben Willy Brandt auch Helmut Schmidt. Ich war zwar mit seiner Politik inhaltlich teilweise überkreuz, gerade als jemand, der in Bonn und anderswo an Friedensdemos teilgenommen hat und gegen die Nachrüstung war.

Beeindruckt hat mich an Helmut Schmidt die Regierungsfähigkeit, die pragmatische Kompetenz  – als ich selbst Regierungsverantwortung übernommen habe, seit ich selbst weiß, was politische Verantwortung bedeutet, schätze ich ihn und sein Handeln noch mehr.

Politische Wendepunkte

Heide Simonis, Ralf Stegner, Björn Engholm_Foto: Olaf Bathke
Heide Simonis, Ralf Stegner, Björn Engholm Bild: Olaf Bathke

Ich habe sehr bittere Stunden miterlebt. Die Nichtwahl von Heide Simonis und der Rücktritt meines ersten Chefs, Günther Jansen, haben mich sehr bewegt. Die schönen Momente haben jedoch bei weitem überwogen. Im Alter von 35 Jahren von Heide zum Staatssekretär ernannt zu werden, war sensationell für mich. Ich habe meine Ämter immer unglaublich gerne ausgeübt – Innenminister zu sein, ja, das war ein toller Job.

Meine Wahl zum Landesvorsitzenden – ich bin unheimlich stolz, Vorsitzender von dieser Partei gewesen zu sein. Ich kann mir keine andere vorstellen. Die Nominierung zum Spitzenkandidaten war ein besonderer Moment, mit Heide und Björn und Klaus Wowereit und – meiner Familie. Dass meine Familie dabei war, hat mich besonders gefreut, denn die ist spärlich im politischen Geschehen.