Verantwortung wahrnehmen!

Wir haben wirklich besseres zu tun, als Scheindebatten in Berlin zu führen

Bild: Susie Knoll

Liebe Genossinnen, liebe Genossen,

nach wochenlangem Streit von CSU und CDU haben wir gestern endlich eine Einigung bei der Flüchtlings- und Migrationspolitik erreicht. Am Donnerstagabend konnten wir uns im Koalitionsausschuss auf einen Vorschlag einigen, der sich deutlich am Fünf-Punkte-Plan der SPD orientiert. Die Koalitionspartner CDU und CSU haben unseren Vorschlägen zugestimmt und sind damit von ihren abstrusen Vorstellungen abgewichen. Das wurde auch Zeit, denn ein Ruhmesblatt war das bei Weitem nicht. Dieser Streit in der Union hat die Politik insgesamt – und leider besonders unsere gemeinsame Regierung – beschädigt.

Aber schauen wir auf die Ergebnisse in der Sache: Das Recht auf Asyl gilt uneingeschränkt. Dies hat sich nun auch die Union akzeptiert. Das war für uns unverhandelbar. Ein eingeschränkter Zugang zu Asylverfahren, wäre mit den Grund- und Menschenrechten, dem internationalen Flüchtlingsrecht, dem EU-Recht und unserer sozialdemokratischen Überzeugung nicht vereinbar.

Europa hat eine Verantwortung in der Welt. Wir können uns in der gegenwärtigen Situation mit Millionen von Menschen, die vor Krieg, Gewalt, Hunger und Zerstörung fliehen, nicht aus der Verantwortung stehlen. Die meisten von ihnen finden in Nachbarländern außerhalb der EU Schutz. Doch auch Europa muss einige von ihnen aufnehmen. Deshalb brauchen wir eine europäische Zusammenarbeit statt nationaler Maßnahmen, die sich gegen unsere Nachbarländer richten. Das beinhaltet auch die Seenotrettung im Mittelmeer. Das beinhaltet auch die Seenotrettung im Mittelmeer. Menschen vor den Küsten Europas nicht ertrinken zu lassen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Diesen Menschen zu helfen gehört ebenso zu unseren humanitären Verpflichtungen, wie Menschen aus Kriegsgebieten Asyl zu gewähren.

Wir stehen für ein solidarisches Europa, in dem sich die Mitgliedstaaten unterstützen. Länder mit europäischer Außengrenze dürfen nicht alleine gelassen werden. Wenn wir Griechenland oder Italien mit ihren Herausforderungen alleine lassen, widerspricht das nicht nur unserem Verständnis von europäischer Solidarität, wir bekämen die Konsequenzen früher oder später auch direkt zu spüren. Wir sind für eine geordnete Flüchtlingspolitik, die keinen überfordert, aber dem Anspruch auf Humanität gerecht wird. Eine Lösung erreichen wir nur mit Europa, nicht gegen Europa. Nationale Alleingänge waren für uns immer ausgeschlossen!

Eine weitere wichtige Vereinbarung lautet: Das Einwanderungsgesetz kommt noch in diesem Jahr ins Kabinett. Es wurde auf unseren Druck hin, im Koalitionsvertrag vereinbart. Jetzt nimmt das Verfahren Fahrt auf. Damit tragen wir dazu bei, zwischen Flucht und Asyl aus humanitären Gründen und der Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt zu unterscheiden. Dadurch können wir illegale Migration eindämmen und gleichzeitig eine humane Flüchtlingspolitik umsetzen.

Die Transitzentren, die CDU und CSU miteinander vereinbart haben, sind vom Tisch. Mit der SPD wird es keine geschlossenen Lager geben. Sie standen für uns auch nie zur Debatte! Das haben wir von Anfang an gesagt. Auch wird es keine einseitigen Zurückweisungen an der Grenze geben. Anders als von der CSU gefordert, haben wir dafür keine gesetzlichen Änderungen vereinbart. Deutschland ist ein Rechtsstaat und damit sind rechtsstaatliche Verfahren garantiert.

Was wir aber dringend tun müssen, und dazu haben wir Bundesinnenminister de Maizière schon 2015 aufgefordert: Wir müssen Asylverfahren endlich beschleunigen! Heute warten Menschen zum Teil mehrere Monate auf die Entscheidung über ihre Zukunft in Deutschland. Das ist Irrsinn.

Wir können mit dieser Einigung auf Bundesebene sehr zufrieden sein. Horst Seehofer hat die Republik mit seinem sogenannten „Masterplan“ – den wochenlang praktisch niemand kennen durfte – zum Narren gehalten und CDU und CSU haben sich in immer schriller werdenden Töne auf offener Bühne gestritten, anstatt sich um die Alltagssorgen der Menschen zu kümmern. Wir müssen endlich wieder zu konstruktiver Arbeit an der Sache zurückkehren. Denn auch wenn es uns in Deutschland noch vergleichsweise gut geht, haben wir viele Baustellen. Die meisten Bürgerinnen und Bürger fürchten doch nicht die Islamisierung ihres Dorfes oder Ihrer Stadt. Sie sorgen sich eher um bezahlbare Mieten, auskömmliche Renten, die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Ausbildung ihrer Kinder oder die Pflege ihre Eltern. Darum geht es und darum werden wir uns kümmern. Die SPD wird konkrete Vorschläge machen!

Wir hatten in den vergangenen eineinhalb Jahren viel zu tun. Das ist an uns allen nicht spurlos vorbeigegangen. Ich danke euch ganz herzlich für euren Einsatz in den vergangenen Monaten. Viele von euch haben sich in den Wahlkämpfen, in der Kommunalpolitik, bei der Reform unseres Parteilebens oder bei anderen Gelegenheiten sehr intensiv für unsere Partei und unsere Ziele engagiert. Dafür bin ich dankbar.

Ich wünsche euch eine schöne Sommerpause und erholsame Urlaubstage. Wenn wir uns im Spätsommer wiedersehen setzen wir die Reform unserer Partei fort und starten in die Vorbereitungen zur Europawahl 2019. Bewerbungen für die Kandidaturen liegen bereits vor und ich freue mich auf die Diskussionen. Wir haben wirklich besseres zu tun, als Scheindebatten in Berlin zu führen. Wir stellen das in den Mittelpunkt, was zählt!

Herzliche Grüße

Ralf Stegner