Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge

SPD, CDU und CSU haben eine erste Einigung beim Familiennachzug erzielt. Die Union wollte – wie die AfD - den Familiennachzug bislang komplett abschaffen, die SPD wollte ihn wieder zulassen.

Ralf Stegner
Foto: Susie Knoll Bild: Susie Knoll

Falls es zu einer Koalition kommt, schaffen wir zumindest einen Wiedereinstieg in den Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus, den es zwei Jahre lang überhaupt nicht gegeben hat. Denn seit zwei Jahren ist er ja bereits ausgesetzt. Und von den Verhandlungen zur schwarzen Ampel wurde berichtet, dass man sich dort im Grundsatz darauf verständigt habe, den Familiennachzug um ein weiteres Jahr auszusetzen. Eine schlimme Situation für die Betroffenen, die jeden Tag Sorge um ihren Ehepartner oder Kinder haben müssen, weil die zum Teil noch in Bürgerkriegsgebieten ausharren. Sie werden nun nicht länger dauerhaft von Ehepartnern oder Kindern getrennt, wie vor allem die CSU das gefordert hatte.

Natürlich hätte sich die SPD weitergehende Regelungen gerade zugunsten von Kindern gewünscht als sie insbesondere mit der CSU möglich waren. Wir wollen echte Integrationschancen für junge Familien, die angesichts des Kriegsgeschehens in ihrer Heimat faktisch länger in Deutschland Schutz benötigen werden.

Mit einer CSU, die im blindwütigen Wettbewerb mit der AfD geradezu fanatisch die Zusammenführung von Familien bekämpft und damit ihr so gern propagiertes christliches Familienbild mit Füßen tritt, war aber mehr nicht zu erreichen.

Die Fraktionen im Bundestag beschließen nun zunächst eine Übergangsregelung, die den Nachzug weiter aussetzt, da bislang kein abschließendes Ergebnis der Koalitionsverhandlungen vorliegt. Das war nicht unser Wunsch, aber diese Regelung ist klar und gegen den erklärten Willen der CSU bis zum 31.7. befristet und wird dann durch eine Neuregelung des Familiennachzugs ersetzt. Selbst für diese Befristung mussten wir kämpfen, denn die Union wollte den Familiennachzug dauerhaft abschaffen, wofür sie aber im deutschen Bundestag nur eine Mehrheit mit AfD und FDP hätte. Auch in dieser Übergangszeit gilt die Härtefallklausel für dringende humanitäre Fälle. Wie die Neuregelung ab 1. August konkret aussieht, ist jetzt Gegenstand der laufenden Koalitionsverhandlungen und weiterer Gespräche.

Die SPD hat die Härtefallregelung zusätzlich zu den im Sondierungsergebnis vereinbarten 12.000 Nachzügen pro Jahr durchgesetzt. Das ist eine, wenn auch kleine, Verbesserung gegenüber dem Stand des Bundesparteitags. Die Union wollte nämlich, dass auch die Härtefälle mit diesem Kontingent abgegolten wären. Die erforderliche Neuregelung dieser 1.000+ pro Monat und die konkrete Ausgestaltung muss im weiteren Verfahren geklärt werden, in den Koalitionsverhandlungen, im Gesetz, im parlamentarischen Verfahren.

Nun wenden viele ein, dass von der Härtefallregelung in der Vergangenheit weniger als 100 pro Jahr profitiert haben. Diese restriktive Praxis stimmt zwar für die Vergangenheit, aber ich glaube, dass es gute Gründe dafür gibt, dass die Härtefallregelung künftig weniger restriktiv und mehr zugunsten von Menschen ausgestaltet werden kann:

  1. Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Rechtsprechung bereits korrigiert und auf die besondere Bedeutung des Kindeswohls verwiesen.
  2. Wenn wir zu einem bescheidenen Kontingent von 1.000 Nachzügen kommen, wird es in deutlich mehr Härtefallen zu Rechtsverfahren kommen.
  3. Auch Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt. Er erlaubt den Bundesländern eigene humanitäre Initiativen.
  4. Die konkrete Ausgestaltung des zukünftigen Gesetzes und der Härtefallregelung bleibt die Aufgabe der nächsten Wochen. Ich finde, es kommt vor allem auf das Kindeswohl an; dazu verpflichtet uns auch die UN-Kinderrechtskonvention.
  5. Auch das Bundesverfassungsgericht hat schon geurteilt, dass Familien nur eine gewisse Zeit der Trennung zugemutet werden darf. Das ergibt sich aus dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes, der sich keineswegs auf deutsche Familien beschränkt, sondern auch auf die Menschen zutrifft, die in Deutschland leben und Familienangehörige in Kriegsgebieten haben.

Es gehört zur Ehrlichkeit dazu: Diese Regelung des Familiennachzuges ist nicht das, was Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sich wünschen. Es ist jedoch eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status Quo – der Nachzug ist seit zwei Jahren ausgesetzt – und angesichts der familienfeindlichen Position der CSU das, was an Fortschritten möglich ist.