Kluge Kolumne von Jakob Augstein zum sich allgemein ausbreitenden Bellizismus: 100 Jahre nach Beginn des 1.Weltkriegs und 75 Jahre nachdem die Nazis den 2.Weltkrieg begonnen haben, fangen offenbar die Lehren wieder an zu verblassen.
„Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“, das hat uns Willy Brandt beigebracht.
Ja, es war keine deutsche Freiheitsbewegung, sondern der militärische Sieg der alliierten Streitkräfte über Hitler-Deutschlands, dem wir unsere Demokratie verdanken.
Ja zum Recht auf Notwehr und Selbstverteidigung. Ja auch zum Einschreiten der Völkergemeinschaft, wenn es um die Verhinderung oder Beendigung von Völkermord geht.
Aber Nein zum rhetorischen Säbelrasseln auch des NATO Generalsekretärs und nicht nur der üblichen Verdächtigen. Nein zum Verschieben der Prioritäten von Diplomatie und Verständigung hin zu Sanktionsautomatismen und Militäreinsätzen. Nein zu strategischen Militäreinsetzen aus Gebiets-, Rohstoff- oder sonstigen Interessengründen.
Nein auch zur innenpolitischen Instrumentalisierung komplexer außenpolitischer Problemstellung. Nein auch zu nationalen Alleingängen und Profilierungen.
Schließlich Ja zum Politikwechsel beim deutschen Rüstungsexport. Keine Waffenlieferungen an Diktatoren und in Spannungsgebiete!
Also lieber weniger eitlen Spott über Margot Käßmann, weniger Erleichterung über die deutsche Enttabuisierung des Militärischen, mehr Artikel wie der von Augstein.
Noch eines: Ich bin weder für Raushalten, noch für Radikalpazifismus und eine spezielle deutsche Moral des „Andere gehen Risiken ein, wir regeln das mit dem dicken Geldbeutel“. Aber internationale Solidarität kennt andere drängende Notwendigkeiten als deutsche Pickelhauben. Wie wäre es zum Beispiel mit einer deutschen Sonderrolle im Sinne einer Weltmeisterschaft in Qualität und Quantität der Entwicklungszusammenarbeit. Stichwort: Millenniumsziele! Nur mal so gefragt!