Das schwarz-gelbe Schulgesetz schadet Schülern, Lehrern, Eltern

Anlässlich der Parlamentsdebatte zu den geplanten Änderungen der schwarz/gelben Landesregierung am Schulgesetz habe ich heute die folgende Rede gehalten.

Anlässlich der Parlamentsdebatte zu den geplanten Änderungen der schwarz/gelben Landesregierung am Schulgesetz habe ich heute die folgende Rede gehalten.

Wir diskutieren heute den Entwurf von CDU und FDP zur Änderung des Schulgesetzes und weitere Anträge zur Schulpolitik. Das scheint ein Routinevorgang zu sein – ist es aber nicht, denn hier droht ein gewaltiger Schaden für Schleswig-Holstein, für Schülerinnen und Schüler, Lehrerin­nen und Lehrer, Eltern und Kommunen. Sie werden es erwartet haben und ja, selbstverständlich fordere ich Sie auf, eine derart einschneidende und verheerende Gesetzesänderung zu unterlassen! Ihnen fehlt schlicht und ergreifend der politische Füh­rungs­anspruch – über Ihren Mangel an Legitimation dafür hatten wir ja bereits in der vergangenen Sitzung debattiert.

Widmen wir uns nun der eigentlichen Sache: Wir halten die Bildungs­politik für viel zu wichtig, als dass sie vordergründigen Parteistreitigkeiten untergeordnet werden dürfte. Deshalb habe ich vor Wochen die Initia­tive ergriffen und den Kollegen der anderen Oppositionsfraktionen vorge­schlagen, gemeinsam auf die Regierung zuzugehen, um im Interesse von Schülern, Eltern, Lehrern und Kommunen zumindest ein Moratorium für die Schulen in unserem Land zu erreichen. Die Kollegen Erdmann und Habeck haben das dann öffentlich gemacht, die Koalition hat das brüsk zurückgewiesen, weil sie beim Schulgesetz offenbar durchregieren will.

Für uns Sozialdemokraten war Bildung seit jeher eines der wichtigsten politischen Handlungsfelder, heute ist das die Schlüsselfrage für die Zukunft unseres Landes. Nicht zuletzt konnte ich am eigenen Leibe erfahren, was „Aufstieg durch Bildung“ bedeutet. Bildung heißt, in die Zukunft investieren, Bildung heißt Wertschätzung gegenüber Eltern und Kindern, Bildung ist die Grundlage für das weitere Leben, den beruflichen und charakterlichen Werdegang.

Wir reden über die entscheidende Weichenstellung für Schleswig-Holstein. Es geht um einen ungeheuren finanziellen Kraftakt von Bund, Ländern und Kommu­nen für Ganztagsschulen, bessere Bildungs­chan­cen für alle Kinder ‑ ob deutsch oder nicht deutsch, von Alleinerziehen­den oder anderen Fami­lien, von Geringverdienern oder bessergestellten Familien, es geht um Schulsozialarbeit, längeres gemeinsame Lernen, gesundes Mittagessen, Lernmittelfreiheit, Abbau von finanziellen Hürden bei der Schüler­be­för­derung und um Beitragsfreiheit von der Kita bis zum Studium.

All das geht nur, wenn wir begreifen, dass Kinderbetreuung und Bildung Priorität Nr. 1 sein müssen. Nichts davon verrät Ihr Schulgesetzentwurf.

Ein Sprichwort sagt, „wenn du für ein Jahr planst, säe Samen aus. Planst du für zehn Jahre, pflanze Bäume. Planst du für hundert Jahre, lehre Menschen" – Sie, meine Damen und Herren von den Koalitions­fraktionen, können allenfalls noch für ein gutes Jahr planen. Danach werden Sie den Sturm aus dem Wind ernten, den Sie heute säen wollen.

Warum, Herr Kollege von Boetticher, wollen Sie nach kaum drei Jahren ein Schulgesetz ändern, welches die CDU mit uns gemeinsam auf den Weg gebracht hat? Sie reden doch sonst immer von Langfristigkeit und unserer Verpflichtung gegenüber den Folgegenerationen! Sie sagen uns das wie ein Mantra bei den Haushaltsberatungen für nahezu jeden Einzel­posten! Warum gilt das für die Bildungspolitik eigentlich nicht? Die einzige Nachhaltigkeit, die Sie von der CDU mit dieser Rolle rückwärts beim Schulgesetz erzielen können, würde eine lange Zeit auf der Oppo­sitionsbank sein! Bei Ihnen von der FDP wird es ja vielleicht eher die außerparlamen­tarische Opposition „reloaded“ sein.

Doch zurück zur Frage, warum nach drei Jahren schon wieder alles falsch sein soll, was gestern noch gut war. Es gibt zur Zeit nun wirklich nicht schon wieder Reformbedarf im Schulbereich, ganz im Gegenteil: Die neuen Schularten der Regional- und Gemein­schaftsschulen sind von Elternvertretungen, von Lehrerkollegien und -verbänden und kommuna­len Schulträgern in ihrer derzeitigen Ausprägung nicht nur akzeptiert, son­dern ausgesprochen positiv aufgenommen worden. Die Schulen haben mit hoher Motivation und eigenem Engagement pädagogische Konzepte umgesetzt und weiterentwickelt. Seit drei Schuljahren setzen sie diese von Ihnen selbst mitentwickelten neuen Formen des Lehrens und Lernens engagiert um.

Das Schulgesetz von 2007 ist gemeinschaftlich von zwei gleich starken Koalitionspartnern entwickelt worden, in intensiver Zusammenarbeit von Fraktionsarbeitskreisen, in Übereinstimmung des Kabinetts und der Fraktionen von CDU und SPD. Hier wurden seinerzeit alle Wenns und Abers ausdiskutiert, es gab einen Kompromiss, kein Partner konnte hier dominieren.

Es gibt überhaupt keinen Anlass, im Schulbereich erneut gesetzgebe­risch tätig zu werden. Diesen Appell richte ich insbesondere an Sie, Herr Kollege von Boetticher, und an Ihre Fraktion. Wo bleibt Ihre Verantwor­tung? Warum wollen Sie eigentlich dem Bildungsminister einen Freibrief ausstellen, die Versprechungen aus seiner langen Oppo­sitionszeit endlich doch noch umsetzen zu können. Ich dachte, Sie wollen die CDU in die Zukunft führen und nicht in die Vergangenheit.

Wir wissen alle, dass Sie, Herr Dr. Klug, einer von 4 Abgeordneten waren, die gegen das geltende Schulgesetz gestimmt haben, mithin 65 Kollegen für die Einfüh­rung der beiden neuen Schularten gestimmt haben, auch die Oppositionsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SSW, die auch damals Verantwortung bewiesen haben. Wir wissen auch ‑ schon aufgrund der Streicheleinheiten, die Sie von zwei Lehrerverbänden in der Vergangenheit erhalten haben –,sehr geehrter Herr Dr. Klug, dass Sie von Ihrer ganzen Einstellung her das sind, was die CDU bundesweit sucht, nämlich ein echter Konser­vativer: Sie waren und sind ein beinharter Vertreter des dreigliedrigen Schul­systems.

Es ist doch glasklar, was Sie etwa mit den Änderungen zu den Para­graphen 42 und 43 ihres Gesetzes­ent­wurfes beabsichtigen. Was Sie den „freiheitlichen“ Aspekt in Ihrem Gesetzesentwurf nennen, stellt sich als kaum getarnte Wiederbelebung des dreigliedrigen Systems innerhalb der Organisationsstruktur einer Regionalschule bzw. Gemeinschaftsschule dar. Sie beschreiben es nur verschlüsselt „als Unter­richt in abschlussbezogenen Klassenver­bänden“. Das ist nicht die fortschrittliche FDP des Freiburger Programms, das ist Rückschritt pur.

Sie ahnen doch schon selbst, dass Sie die Quittung für diese enorme politische Fehlleistung spätestens bei den nächsten Wahlen erhalten werden. Deshalb versuchen Sie doch das Urteil der Schleswig-Hol­steiner so lange wie möglich hinauszuzögern.

Mit Beginn des aktuellen Schuljahres 2010/11 war der Übergangs­pro­zess für die ehemaligen Haupt-, Real- und Gesamtschulen eigentlich abgeschlos­sen. So verzeichnen wir heute insgesamt 134 Gemein­schafts­­schulen, 109 von ihnen sind neu organisiert, 25 ehemalige Gesamtschulen sind kraft Gesetzes Gemeinschaftsschulen geworden. Die Gemeinschafts­schule ist damit klar zur stärksten Schulart in Schleswig-Holstein geworden. Das nenne ich Fortschritt, Herr Minister Dr. Klug!

Es war übrigens eine Abstimmung der Eltern mit den Füßen und die Entscheidung von zahlreichen kommunalen Schulträgern, viele davon mit konservativen Mehrheiten. Interessanterweise sind die letzten 17 Anträge auf Errich­tung einer Ge­meinschaftsschule mit ihren notwendigen pädagogischen Konzepten von Ihnen, sehr geehrter Herr Klug, am 15. Februar dieses Jahres ge­nehmigt worden. Gut so!

Dürfen wir und insbesondere die Schulen und Schul­träger nun also davon ausgehen, dass die vorgelegten Konzepte als not­wendiger Be­standteil des Antrages damit ebenso durch die obere Schul­aufsicht genehmigt worden sind, diese ergo nach unserem Rechts­verständnis Bestandsschutz genießen? Oder wollen Sie den Prozess von Schule zu Schule nach Ihren Vorstellungen neu aufrollen und die Schulkonzepte des längeren gemeinsamen Lernens rückgängig machen? Leider spricht alles dafür, dass Sie die Gemein­schaftsschulen schikanieren und rückab­wickeln wollen. Glauben Sie wirklich, dass das keiner durchschaut?

Im übrigen richten Sie ausgerechnet in dieser Haushaltslage mit Ihrer Politik ein teures Schulchaos an. Die Zeche zahlen die Lehrerinnen und Lehrer durch unbezahlte Mehrarbeit und die Schülerinnen und Schüler durch Verlust an Unterrichtsqualität. Sie kürzen nämlich zweimal 300 Stellen – 3.650 insgesamt bis 2020 – und damit 750 Stellen mehr, als es die in einem schwierigen Kompromiss vereinbarte Entscheidung der Großen Koalition aus dem Sommer 2009 vorsah. Wenn es unser Ziel ist, mehr Schülerinnen und Schüler zum Abitur zu führen, so bewirken Sie mit Ihrer Politik das glatte Gegenteil.

Sie werden den Eltern und Schülern erklären müssen, warum die Schul­politik als große Spardose für den Doppelhaushalt 2011/2012 herhalten muss, statt die Zukunftsperspektiven unserer Kinder und Jugendlichen durch vermehrte Bildungsanstrengungen zu verbessern. Die erneuten Verschlechterungen für die Eltern bei der Schülerbeför­derung oder bei den dänischen Schulen sind weitere beispiellose Fehlleistungen Ihrer Politik.

Dieses Schulgesetz ist unnütz, handwerklich schlecht gemacht und über­flüssig wie ein Kropf! Was bezwecken Sie damit? Sie mögen eine Regie­rungskoalition auf Abruf sein, aber Sie haben alle einen Eid abgelegt, Schaden von Schleswig-Holstein abzuwenden. Ein deutsches Sprichwort sagt: „Durch Schaden wird man selten klug“ – wie wahr, möchte man Ihnen heute zurufen, Herr Bildungsminister.

Wir werden hoffentlich noch 2011, spätestens aber kurz danach neu wählen, Ihr Schulgesetz soll schon ab dem kommenden Schuljahr 2011/2012 greifen. Wir bedauern jetzt schon die betroffenen Schulen, Eltern und Kinder, die wahrscheinlich – wenn auch nur ein Jahr ‑ unter Ihrer Anti-Schul-Politik leiden müssen. Wir könnten es uns leicht machen und Ihnen im Namen der aktuellen Oppositions­parteien für eine weitere Steilvorlage für den dann stattfindenden Wahlkampf danken! Aber unsere Verantwortung für Schleswig-Holstein gebietet etwas ande­res.

Tun Sie sich und allen Betroffenen einen Gefallen, packen Sie diesen Gesetzentwurf dahin zurück, wo er offenbar herge­kommen ist – in die blaue Tonne! Kehren Sie um – ziehen Sie ein Gesetz zurück, das Schleswig-Holstein Schaden zufügt. Anderenfalls werden wir die baldigen Land­tagswahlen zur Volksabstimmung über Ihre verfehlte Schulpolitik machen. Diese Ankündigung dürfen Sie wörtlich nehmen!