In einer Woche werden die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein staunend erfahren, was sich die schwarz-gelbe Geheimkommission für Landesregierung und Landtag an Kürzungsmaßnahmen ausgedacht hat, um den Landeshaushalt zu sanieren und der gestern beschlossenen Verfassungsänderung zu genügen. Während der Ministerpräsident des Landes mal wieder im Vatikan Inspiration suchte, sorgte der Cheflautsprecher der Regierungskoalition, der Kollege Kubicki, für einen Paukenschlag, der den Beschäftigten des UKSH, der Hansestadt Lübeck und vielen andere in den Ohren klang.
Wir sprechen hier nicht über ein Kreiskrankenhaus, sondern über den größten öffentlichen Arbeitgeber in Schleswig-Holstein. Seit Jahren haben wir Sozialdemokraten uns gegen einen Verkauf des UKSH gewehrt und diesen auch – trotz aller Versuche von Herrn Austermann – in der Großen Koalition verhindert. Dabei hatten wir ja schon einiges an hartem Konsolidierungskurs für das UKSH bewegt.
Nachdem in den 60er Jahren von der damaligen Regierung Lemke der Fehler begangen worden war, im kleinen Schleswig-Holstein ein zweites Universitätsklinikum zu gründen, hatte sich über die Jahre ein leistungsfähiges Klinikum an den beiden Standorten Kiel und Lübeck entwickelt mit einem gewachsenen Umfeld in der medizintechnischen Wirtschaft, gerade rund um Lübeck. Die finanziellen Rahmenbedingungen waren immer schwierig, gerade auch durch die bundesweit niedrigsten Basisfallwerte.
Wir Sozialdemokraten haben in der Regierung Simonis zusammen mit den GRÜNEN zunächst die Fusion der beiden Klinika gegen manche Widerstände durchgesetzt, die Kooperation mit den fünf größten akademischen Lehrkrankenhäusern ausgebaut und die Defizite mit all diesen Maßnahmen erheblich verringern können. Und ausgerechnet jetzt, wenn nach harter Sanierungszeit die schwarze Null erreicht ist, wollen Sie privatisieren. Ich dachte immer, das Motto von schwarz-gelb sei, Leistung solle sich wieder lohnen.
Bei dieser Regierung kann davon keine Rede sein und das UKSH wollen Sie also für den Erfolg bestrafen. Die 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben über viele Jahre ihren Beitrag geleistet, um Arbeitsplätze und das Unternehmen zu stützen – durch Mehrarbeit, Verzicht auf Lohnsteigerungen und andere Einbußen. Wie Hohn klingt da die Ankündigung einer Veräußerung des UKSH in den Ohren derer, die den Fortbestand durch eigene Opfer unterstützt haben und sich auf die Landesregierung und Ihre Worte, Herr Ministerpräsident, verlassen haben. Ich darf Sie an Ihre Rede vom 18. November 2009 erinnern:
„Wir stehen zum Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, wir werden das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein zu einem Zentrum für Spitzenmedizin in Krankenversorgung und Forschung ausbauen. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten schon heute ausgezeichnete Arbeit.“
Ich fordere den Herrn Ministerpräsidenten auf: bekennen Sie Farbe und erklären Sie dem Parlament, der Öffentlichkeit und diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass Sie zu Ihren damaligen Worten stehen und erteilen Sie einer Privatisierung des UKSH hier und heute eine klare Absage.
Ich habe mir das zweifelhafte Vergnügen gegönnt, den zwischen CDU und FDP geschlossenen Koalitionsvertrag nochmals zu lesen. Dort steht, u. a. dass sie die
- Bindungen aus dem Tarifvertrag bis 2015 einhalten und
- die Entscheidung in Abstimmung mit der Universität Lübeck ausrichten wollen.
Ein dänisches Sprichwort sagt „Wenn Lügen Latein wären, gäbe es viele Gelehrte.“ In diesem Sinne ist der Herr Ministerpräsident ein wahrer Gelehrter. Ich werfe ihm gar nicht vor, dass harte Sacharbeit und die Details der Politik nicht seine Sache sind. Aber dass auf sein Wort kein Verlass ist, das muss man ihm schon vorhalten, wenn er auf dieser Grundlage nun doch das Klinikum verkaufen wollen. Er zeigt einmal mehr, dass das einzige, worauf man sich bei ihm verlassen kann, ist, dass er früher oder später sein Wort bricht. Wir werden bestimmt nicht mehr lange auf die nächsten Pinocchio-Plakate warten müssen, wenn sich die UKSH-Mitarbeiter neben den Kita-Eltern und anderen in Schleswig-Holstein einreihen.
Anstelle einer geplanten Veräußerung und der damit einhergehenden Zerstörung der Universität Lübeck und des Gesundheitsstandortes Lübeck sollten wir lieber für höhere Landesbasisfallwerte kämpfen. Da liegt Schleswig-Holstein ganz hinten. Schon beim Bundesschnitt hätten wir 20 Mio € jährlich mehr für das UKSH.
Für uns Sozialdemokraten gelten folgende Maximen für den anstehenden Sanierungsprozess:
- Wir wollen, dass der von der Landesregierung beschlossene Masterplan für dringend notwendige Investitionen umgesetzt wird, wobei im ein oder anderen Fall Prioritäten nochmals überprüft werden können.
- Dabei kann es durchaus für einzelne Bereiche auch ÖPP-Lösungen geben.
- Wir wollen die Beibehaltung der Qualität in der Krankenversorgung und Pflege – das ist in Schleswig-Holstein die Spitzen- und Höchstleistungsmedizin.
- Wir lehnen eine Privatisierung strikt ab. Nach Jahren der Ideologie von „Privat vor Staat“ und in der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise sollten wir doch endlich kapiert haben, dass die kurzfristige Renditeorientierung der falsche Weg ist.
- Wir wollen die Stärkung der ArbeitnehmerInnenrechte und die Einhaltung von Tarifvertrag und betrieblicher Mitbestimmung.
Peter-Harry Carstensen sagt ja immer, dass die SPD in der Großen Koalition vieles verhindert habe, was er gerne anders gemacht hätten. Das stimmt, weil wir immer gegen die Einschränkung der Mitbestimmung waren. Da haben Sie mit der FDP keine Probleme, aber ich frage Sie, Herr Kollege Kalinka, was eigentlich die CDA dazu sagt. Und ich frage, ob die Regierung sich nicht wenigstens an Verträge mit Gewerkschaften und Betriebsräten halten will. Oder ist auch das schon zuviel verlangt?
Die Privatisierung von Universitätskliniken ist ein großer Fehler. Das zeigt das Negativbeispiel, für das – wen wundert es – der hessische Ministerpräsident Roland Koch der Vorreiter ist. Gießen und Marburg – zwei fusionierte Standorte – wurden vor vier Jahren an den Rhön-Konzern verkauft. Dieser Konzern will Rendite, will Kasse machen, ist eben nicht dem Gemeinwohl verpflichtet. Und was ist das Resultat?
- Klagen über die Qualitätsmängel bei der Patientenversorgung.
- Arbeitsverdichtung bei den ohnehin belasteten Pflegekräften, die nicht einmal ordentlich bezahlt werden.
- Erhebliche Mehrbelastungen bei den wahrlich stark belasteten Klinikärzten.
- Verschlechterung bei der Medizinerausbildung, da sich seit dem Verkauf nun fast doppelt soviele Studierende einen Arzt teilen müssen wie im Bundesschnitt.
Wir wollen nicht, dass das schlechte hessische Beispiel nachgeahmt wird und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Studierende und das UKSH Schaden nehmen.
Wie können wir uns über eine drohende und in mancher Disziplin schon wahrzunehmende medizinische Unterversorgung beklagen, wenn wir gleichzeitig die Basis der Medizinerausbildung in unserem Land beschädigen! Neben der Meeresforschung gehört doch die Medizin zu unseren wenigen erstligareifen Disziplinen.
Wo bleibt Ihr Bekenntnis zu Schleswig-Holstein als Standort für Spitzenmedizin und Gesundheit? Bei Björn Engholm und Heide Simonis galt das Gesundheitsland Schleswig-Holstein noch etwas im durchaus aussichtsreichen Wettbewerb mit dem teureren Hamburg und um Patienten von Skandinavien bis in die arabische Welt.
Zu der Privatisierung des UKSH sagen wir als SPD-Fraktion „Nein“. Und wir werden der Regierung bei diesem Thema genau so entschieden einheizen wie bei ihrer Zerstörungspolitik bei Kitas, Schulen und Sparkassen.
Vielleicht denkt sie ja auch, weil sie keine Abgeordneten der CDU in Kiel und Lübeck hat, Sie könnten sich diese Anti-Stadt-Politik leisten, die wir aus Ihrem Landesentwicklungsplan kennen. Das UKSH ist aber in seiner Bedeutung für das ganze Land Schleswig-Holstein wichtig.
Lassen Sie mich noch einmal auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückkommen. Im Tarifvertrag wurde seinerzeit festgeschrieben, dass bis 2015 über eine Privatisierung nicht entschieden werden darf, trotzdem haben Sie schon alles in der Schublade, um ganz schnell ein Bieterverfahren eröffnen zu können. In einem derart sensiblen Bereich der Pflege, Betreuung und Heilung birgt eine Demotivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch die Gefahr von Qualitätseinbußen für die Patienten – und auch das wollen wir nicht!
Wir haben auch Fragen zu einer bereits extern vergebenen Dienstleistung. Vor wenigen Wochen war ich in Glückstadt bei der Firma Berendsen, heute demonstrieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma vor dem Landeshaus. 120 Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein hängen am Auftrag mit Wäschereidienstleistungen. Nach erfolgter Ausschreibung soll nun Mitte August der Auftrag neu vergeben werden – bereits zum 1. Mai wurde der Auftrag der Firma Berendsen vorübergehend entzogen und an ein Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern – Sitex ‑ vergeben.
Ich will mich nicht in das Vergabeverfahren einmischen, aber: Die Firma Sitex hat nach Informationen des DGB Nord den klassischen Weg der Ausbeutung mittels Dumpinglöhnen beschritten. Eine nur zum Zwecke des Lohndumpings gegründete sogenannte Gewerkschaft schließt einen Tarifvertrag, in welchem Stundenlöhne zwischen 7 und 8 Euro vereinbart werden. Wie kann es sein, dass ein Unternehmen in Schleswig-Holstein die Arbeitsplätze eines anderen gefährdet und ‑ unter Ausbeutung der Mitarbeiter – diese in einem anderen sichert? Wie kann hier von Sparen/Kürzungen, Konsolidieren usw. gesprochen werden, wenn dafür Arbeitsplätze in SH vorsätzlich vernichtet werden?
Wir wissen ja, dass die Regierungskoalition gegen faire Mindestlöhne ist – obwohl ich nicht weiß, was daran christlich ist, wenn man von seiner Arbeit nicht leben kann, und was daran marktwirtschaftlich sein soll, wenn der Staat Dumpinglöhne subventioniert und Sozialtransfers steigen. Aber glaubt Schwarz/Gelb allen Ernstes, dass die Überführung von Arbeitnehmern in die Arbeitslosigkeit und Dumpinglöhne für andere der richtige Weg ist, das UKSH zu sanieren?
Vom Industriellen Alfred Krupp stammt der Satz „Der Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein.“ Wie sehr sollte das eigentlich für die Arbeit einer Landesregierung gelten?
Ich fordere die sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen mit Nachdruck dazu auf, dem Ausverkauf des UKSH einen Riegel vorzuschieben und dafür zu sorgen, dass Ausschreibungen für Unternehmen des Landes nicht für Dumpinglöhne sorgen, mithin auf dem Rücken der Beschäftigten und unter deren Ausspielung gegeneinander stattfindet. Setzen Sie ein Stopp-Signal für die Ideologie „Privat vor Staat“.
Links
- NDR Online: Protestwelle gegen KiTa-Gebühren